oder Auszüge eines ersten Dates.
Am Tisch gegenüber saß er, ein Twen. Bestimmt Student. Aber ein älteres Semester. Seine dunkelbraunen Haare und seinen Vollbart trug er kurz. Einfach. Schlicht. Praktisch. Unaufgeregt eben. Auf beiden Unterarmen ein buntes Treiben. Langer Rundhalsausschnitt mit skinny Röhrenjeans. Seine Postur: sportlich gechillt und natürlich swag, aber es hatte nicht zu eins achtzig gereicht. Er tippte die ganze Zeit irgendwelche Nachrichten in seinen Tindergarten. Dann kam sie durch die Tür.
Sie war schlank. Dreiundzwanzig vielleicht. Ihre hellen Augen adelten ihr blau. Hellblond dazu. Gefärbt. Ein wenig kraus. Mit Extentions. Ihr ovales Gesicht strotzte nur so vor Symmetrie. Mega tight. Dazu Röhrensonnenteint, Kreolenohringe und dicke Augenbrauen. Highwaistjeans und ein gelbes cropped Top. Der Style also porno de luxe.
Beide mussten sich auf irgend so einer Single-App* kennen gelernt haben, sonst wäre die Begrüßung sicher anders ausgefallen. Nach dem Hahaha und Hihihi, schnappte sie sich sofort die Getränkekarte, vertiefte sich wie selbstverständlich in die Angebote und wählte auffällig lange aus. Er beobachtete sie, wollte dabei aber unbemerkt bleiben. Er sah immer wieder auf und zu ihr hin. Ihr schien das zu gefallen. Als das Schweigen schon peinlich geworden war, begann er diese Sätze, die sich, wenn man sie anstößt, wie die Samen der Pusteblume in alle Himmelsrichtungen bewegen.
Läuft bei Dir.
Danach war alles gechilled, easy, lit oder fly. Und natürlich war man dann von allem sofort geflashed oder man fand es wack. Banalverkehr eben. Die üblichen Partyappetizer also, die immer genauso belanglos wie berechnend sind. Weil darüber oft nur so gesprochen wird, wie es erwünscht ist. Die Außenfassade, die man dabei wahrt, bröckelt in den meisten Fällen überhaupt nicht von der Haut ab. Der Gegendruck schwimmt derweil im Innersten. Lässt sich treiben. Bis zur Diffusion.
Dann fragte er in einer Tonart, die durch Wiederholung entstanden war und das auch noch offen demonstrierte:
Und? Was machst Du denn genau in der Firma, in der Du arbeitest?
Was gerade anschteht. Einkauf. Verkauf. Is aber chillig.
Okay. Ist nicht so Deins, oder?
Sie zuckte wie gleichgültig mit den Schultern und sagte trotzig: Nice wär einen Hundesalon in der Türkei oder auf Mallorca.
Mitten in diesem Satz erstickte das Signal ihres iPhones das aufflammende Gespräch. Unsanft. Überraschend. Und unnachgiebig. Sie entschuldigte sich knapp und las angestrengt. Ihre Stirnpartie drückte schon ihre Laune aus, als sie mal eben zurückschreiben musste. Ihre beste Freundin wollte eigentlich später noch vorbeischauen. Sie war sichtlich genervt. Er hielt sich bedächtig zurück und schaute sich die anderen Cafégäste an, die ihm jetzt wie Zuschauer vorkommen mussten. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet. Obwohl er sie nicht ansah, beobachtete er sie. Ihr Blicke kreisten hingegen aufgeregt suchend über das Display ihres Handys, als es erneut vibrierte.
Bohr, nee, odda? Das geht gar nich klar. Lass ma zahlen bitte.
Okaaaay. Kein Problem, aber die Getränke sind ja noch gar nicht da! Wasn los?
Isch muss los. Meine Freundin stresst voll rum. Kannst Du vielleicht bezahlen, ja? Ich bin grad total broke.
Ja. Klar.
Voll nice von Dir. Isch meld mich bei Dir. Verschprochen!
Als sie schon aus der Türe war, kamen erst die Getränke. Er trank beide in aller Ruhe aus und versank derweil erneut in seinem Tindergarten.
* Die Namen dieser Apps klingen wie ein Hornsignal zur Brunftzeit. Mit geladener Flinte. Und räudigem Fell. Mit Spürnaseninstinkt durch Wälder treibend. Immer auf der Suche. Dank der Namenlosigkeit im Internet sind die Alarmglocken, die dort Liebe versprechen, erträglich geworden. Keiner Strömung preisgegeben, kann man sich dort wie in einem Selbstbedienungsladen nach Herzenslust durchwischen. Ohne Gefühl, weil ohne Grenzen. Aber doch ein Bedürfnis. Und deshalb aufmerksamkeitssüchtig. Ein visuelles Reizgewitter, das Milderung gelobt.